Sichtungstagebuch – 11.04.2024: Irdische Verse

Bild: Neue Vision, IRDISCHE VERSE

Orkan:
Mit nur neun Einstellungen, neun Geschichten und jeweils einer Person vor der Kamera, erhalten wir als Zuschauer*innen die Position der Macht über normale Bürger im Iran, die durch minimale Akte der Rebellion in ihrer Freiheit am härtesten eingeschränkt werden. Der Film zeigt, wie wichtig die Säkularisierung von Staat und Religion ist, mit einem sehr gezielten Stich gegen die Extremisten, die ihre privilegierte Machtposition ausnutzen und ihre unterdrückenden Aktionen mit Religion rechtfertigen. Der Film ist keine Islamkritik, sondern eine Systemkritik an Personen der Macht und Männern im Iran.

Annika:
Ein interessanter und kurzweiliger Film über die negativen Auswirkungen der vom Staat auferlegten religiösen Hürden und des (patriarchalen) Systems auf das alltägliche Leben im Iran. Trotz origineller Inszenierung wird es dann doch nach ungefähr der Hälfte des Films etwas repetitiv. Dennoch ist der Film sehenswert und bietet einen interessanten Einblick in das Leben in einem Land, aus dem es sonst im filmischen Bereich nicht viel zu sehen gibt.

Simon:
Jede Episode ist ein richtiger Schlag in die Magengrube. Auch wenn das Ende vielleicht zu sehr auf die Nase gebunden und einige Stilmittel zu repetitiv eingesetzt waren, finde ich, dass jede Episode eine neue Dimension der Unterdrückung aufgemacht hat, die das Finale hervorragend aufgebaut hat. Vielleicht ist das genau der Film, den das iranische Regime jetzt sehen müsste und das Volk braucht.

Felix:
Aus einer informativen Perspektive sind diese 9 Szenen auf jeden Fall wichtig. Aber das einzigartige Konzept konnte meine Aufmerksamkeit nur für die ersten 30 Minuten aufrechterhalten. Danach fühlt es sich nur noch repetitiv und ermüdend an.

Nicole:
Die Kameraeinstellungen lassen den Zuschauer direkt ein Teil des Geschehens werden. Sie vermitteln den Eindruck, als stünde der Betrachter in der Machtposition, und zugleich nehmen sie uns die Möglichkeit, „dem Bösen“ ein Gesicht zuzuordnen. Der Film ist recht spannungsfrei und deshalb etwas repetitiv, doch zu diesen Themen ist meiner Meinung nach nicht nötig, künstliche Spannung zu erzeugen.

Svenja:
Starre Kameraeinstellungen für starre Machtstrukturen. Aus der Perspektive des Systems, das Religion missbraucht, um Menschen zu kontrollieren und zu demütigen, erfährt der Zuschauer die Frustration und Machtlosigkeit der Subjekte dieses Machtmissbrauchs. Die Situationen sind repetitiv und frustrierend, und doch hält der Film mit verschiedenen Geschichten die Aufmerksamkeit.

Tabea:
Der Film bietet einen faszinierenden Einblick in das Leben im Iran, wo selbst kleine Auseinandersetzungen mit der Bürokratie ernste Folgen haben können. Alltagsszenen verdeutlichen die Fragilität des Systems, das stark vom Patriarchat und von Religion geprägt ist. Die ungeschnittenen Dialoge führen dazu, dass man die ganze Frustration der Protagonist*innen nachempfinden kann. Mein einziger Kritikpunkt wäre das Ende, das meiner Meinung nach zu konkret war und die vorherigen Szenen bereits genug Aussagekraft hatten.

Jeremy:
Mit jeder seiner neun Sequenzen wird „Irdische Verse“ immer frustrierender, auch ein wenig repetitiver; die Message ist aber stark – nuanciert und stark genug, um ein an bestimmte Kurzfilme erinnerndes Format auf eine volle Filmlänge zu bringen. Jedes Mal schafft es der Film aufs Neue, mit wenigen Mitteln Spannung aufzubauen und eine weitere Facette einer vielseitigen Staatskritik darzustellen. Das Ende bricht leider auf eine überdeutliche und theatralische Weise mit dem Minimalismus des restlichen Films, was mich mit einem etwas ambivalenten Gefühl zurücklässt.

Elina:
Der Film „Irdische Verse“ setzt das Sprichwort ‚weniger ist mehr‘ ein, um auf minimalistische Weise einen Spiegel vor die iranische Gesellschaft zu halten. Durch eine starre Kamera ist der/die Zuschauerin direkt gegenüber den Protagonistinnen in die Machtposition gesetzt und kann nur zuschauen, wie Iranerinnen in ihrem Alltagsleben teils massiv eingeschränkt werden aufgrund von religiösen Hürden und Machtmissbrauch namens- und gesichtsloser Staatsvertreterinnen. Die unbewegte Kameraposition könnte dabei einen Stillstand der Situation unterstreichen, dass keine Veränderung in Sicht ist. Und obwohl zum Ende hin der Film repetitiv erscheint, zeigt sich auch darin, wie festgefahren das dortige System ist.

Tom:
„Irdische Verse“ zeigt auf eine sehr nahe Art und Weise, wie es Menschen in einem unterdrückenden System ergeht, bleibt jedoch an manchen Stellen zu oberflächlich und kann die Aufmerksamkeit durch zu viele Geschichten nicht lang genug halten. Die Kameraarbeit funktioniert sehr gut und lässt einen zum unsichtbaren Dritten im Raum werden, der zwar helfen möchte, aber unwillentlich von Szene zu Szene gerissen wird. Gut gespielte und geschriebene Szenen sorgen am Ende dafür, dass man sich dabei erwischt, darüber nachzudenken, wie es den Menschen wohl weiter ergangen ist, nachdem man sie sich selbst überlassen hat.

Thomas:
Unangenehm, erdrückend, frustrierend, belästigend. „Irdische Verse“ zeigt über 9 Kurzgeschichten, wie ein autoritäres System in allen Aspekten des Lebens die Leute unterdrückt und Machtpositionen ausnutzt. Das repetitive Format und die immer gleiche Kameraeinstellung sind zwar etwas ermüdend, werden aber von den unterschiedlichen Szenarien und den guten Darstellungen der Schauspieler*innen ausgeglichen. Die letzte Szene ist leider etwas zu übertrieben, dafür wie realistisch und minimalistisch der Rest des Films ist.

Yannick:
In diesem Film über die systemische Unterdrückung und Diskriminierung im Iran durch staatliche Institutionen und patriarchale Strukturen ist der Blickwinkel der Kamera der unterdrückenden Instanz, wodurch die unterdrückende Instanz gesichtslos bleibt und dadurch eine Beispielhaftigkeit der Fälle ergibt. In den neun Einstellungen werden verschiedene Ausnutzungsarten der Machtposition gezeigt, welche ein gutes Bild des geforderten Gehorsams vermitteln und deutlich die systemische Ausnutzung von Religion als Druckmittel vermitteln sowie die männliche Macht, die sich durch die Unangreifbarkeit von Machtpositionen ergibt. Insgesamt ein sehr eindrücklicher Film, der mit einfachen filmischen Mitteln ein gutes Bild der politischen und gesellschaftlichen Lage im Iran vermittelt.

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