Mit „Broker“ tuckert sich Kore-eda in unsere Herzen 

Bild: Plaion Pictures, BROKER

2018 gewann der japanische Regisseur Hirokazu Kore-eda für seinen Film „Shoplifters“ die goldene Palme in Cannes. Dieser Moment sollte den bereits international renommierten Regisseur zu Arbeiten außerhalb des Landes der aufgehenden Sonne führen. Nach seinem einjährigen Abstecher in Frankreich für „La Vérité“ ging es für den Regisseur zum japanischen Nachbarland Süd-Korea. Wie bereits in Frankreich schrieb Kore-eda trotz Sprachbarriere unter anderem das Drehbuch und führte Regie bei seinem neuesten Film „Broker“. Typisch für den Regisseur handelt es sich auch hier um ein Familien-Tragikomödie und Roadmovie mit einigen Krimi-Aspekten. Kore-eda beschäftigt sich in diesem Film mit der Adoptionsthematik in Süd-Korea. Seit der Unabhängigkeit von Japan und der Teilung von Korea werden überdurchschnittlich viele Kinder zur Adoption freigegeben. Die Zahlen sind so hoch, dass in kirchlichen Institutionen Babyklappen eingesetzt werden. 

Genau in so eine Babyklappe legt die Protagonistin So-young, die von der K-Pop-Sängerin IU verkörpert wird, ihr Neugeborenes. Gefunden wird das Baby von den beiden Brokern. „Broker“ ist ein Begriff, der vor allem mit der Wall Street und der Börse verbunden wird, aber in diesem Fall handelt es sich nicht um Börsenmakler, sondern um Dienstleister, die neugeborene Babys verkaufen. Einer dieser „Broker“ ist der koreanische Star-Schauspieler Song Kang-ho, den man unter anderem aus dem Film „Parasite“ kennt. Wie auch in „Parasite“ spielt er wieder einen erwachsenen Mann mit Geldproblemen, der moralisch verwerfliche Methoden nutzt, um über die Runden zu kommen. Im Falle von „Broker“ ist er Menschenhändler für neugeborene und verlassene Babys. 

Die Mutter des Babys kommt am nächsten Tag zurück und will sich am Verkauf ihres Babys beteiligen. Zu viert tuckert die Gruppe aus den beiden Brokern, der Mutter und dem Baby mit einem heruntergekommenen Transporter von Busan bis nach Seoul, um potenzielle Käuferpaare kennenzulernen.  

Der Film beginnt mitten in der Nacht bei starkem Regen. Im ersten Shot wird direkt von unten auf eine Treppe nach oben geblickt. Die Treppe ist vom starken Regen durchtränkt, das Regenwasser fließt in Mengen nach unten, und wir sehen die Protagonisten die Treppe hinaufsteigen. Schon die erste Szene erinnert stark an das preisgekrönte Werk „Parasite“ von Bong Joon-ho. Die Treppe nach oben in Kombination mit dem Regen ist ein klassisches Motiv des koreanischen Kinos, um die sehr gespaltene Klassengesellschaft darzustellen. Der Film gibt uns von Sekunde eins an ein Indiz, dass die Protagonisten zur ärmeren Schicht gehören und die Verantwortung für ein Neugeborenes noch nicht übernehmen können. 

Genau darin liegt auch der Knackpunkt der Handlung. Kore-eda gibt uns dieses Mal Einblicke der Mutter, die nur das Beste für ihr Baby will und sich aus diesem Grund distanzieren möchte. Diese Position wird auch zum Glück aus einer empathisch einladenden Perspektive vermittelt. Leider bleibt die Mutter jedoch nur eine Mutter, und die Tiefe und Vorgeschichte des Charakters werden hauptsächlich den beiden Brokern gewidmet, deren emotionale Zustände im Laufe des Films immer verständlicher werden. Allgemein erleben wir viele Ereignisse in diesem Film, immer mehr Charaktere werden eingeführt, inklusive eines Gangster- und Krimi-Nebenplots, die alle sehr simpel gehalten sind. Leider bleibt das Ensemble dadurch für Kore-eda-Verhältnisse relativ eindimensional. Es entsteht der Eindruck, dass Kore-eda international mit dem heruntergekommenen Transporter Vollgas geben möchte, nur hat er leider vergessen, die Handbremse zu lösen. Besonders auffällig wird dies in einigen großen Szenen, in denen Charaktere ihre Emotionen schon fast aufgesetzt und kitschig aussprechen. So etwas ist bei einem so erfahrenen und talentierten Autor unüblich. Die fehlende Finesse, die sonst immer bei Kore-eda vorhanden ist, lässt sich wahrscheinlich durch die Sprachbarriere erklären, denn das gesamte Drehbuch wurde in Zusammenarbeit mit Dolmetschern geschrieben. 

Nichtsdestotrotz schafft es Kore-eda, trotz angezogener Handbremse, alle im Saal emotional mitzunehmen. Mit seiner jahrelangen Erfahrung und seinem sehr weichen Kamerastil gleitet sich der Film mit der Kamera und den Charakteren trotz der schweren und ernsten Thematik in den Feel-Good-Bereich. Hierzu trägt neben dem Charisma von Song Kang-ho auch der Kinderschauspieler Im Seung-soo bei. Der junge Schauspieler spielt den achtjährigen, zur Adoption freigegebenen Jungen Hae-Jin. Nach dem ersten Drittel des Films schleicht sich der Junge in den Transporter und verändert die ganze Dynamik der Charaktere. Durch Hae-Jin wird das verurteilende Schweigen gebrochen, um ein Gefüge einer alternativen Familie, das Kore-eda-Filme auszeichnet 

, erblühen zu lassen. Die Charaktere lernen sich durch ihn besser kennen, und die Interaktionen mit ihm und durch ihn sind immer herzlich, mit einer kleinen traurigen Note, weil es wahrscheinlich nur eine temporäre Konstellation ist. Wie so oft glänzt Kore-eda durch kleine Szenen, wie zum Beispiel, als die Familie durch die Autowaschanlage fährt und Hae-Jin das Fenster öffnet. Mit solche simplen kleinen Szenen ist die Laufzeit von Broker gut bestückt und solche Szenen entstehen emotionale Verbindungen und Erinnerungen zwischen den Charakteren und uns ZuschauerInnen im Kinosaal, die „Broker“ nicht zu seinem besten, aber trotzdem zu einem sehr sehenswerten und unterhaltsamen Film machen. 

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